Guarana-Pflanze

Guarana ist ein Präparat aus den Früchten der kommerziell angebauten Guaranapflanze (Paullinia cupana), einer Lianenart, die Coffein, Theobromin und Theophyllin enthält. Guarana wird als Life-Style- und Nahrungsergänzungsmittel zum Aufputschen und als Kaffeeersatz beworben und ist angeblich zur Gewichtsreduktion geeignet. Das Mittel wirkt blutdrucksteigernd und harntreibend.

In den letzten Jahren werden Nahrungsmittel, die aus der tropischen Frucht Guarana hergestellt sind, intensiv und unter Verheißung verschiedener gesundheitlich positiver Wirkungen beworben (Health Claims). So sei die Superfrucht Guarana erfrischend, belebe Körper und Geist, schärfe die Wahrnehmung, stabilisiere den Kreislauf, beruhige Magen und Darm und sei 4-6 Stunden ohne Nebenwirkungen wirksam. Es wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass Guarana in Brasilien auch zur Förderung der Potenz und des regen Sexuallebens verwendet werde. Guarana wird in Form von Säften, Tabletten, Konzentraten und Riegeln angeboten.

Vorkommen und Anbau

Guarana ist eine verholzte, bis zu 10 m hoch wachsende Kletterpflanze aus der Familie der Seifenbaumgewächse (Sapindaceae). Angebaut werden vor allem die Varietäten Paullinia cupana H.B.K. var. typica (aus dem Orinokogebiet) oder Paullina cupana H.B.K. var. sorbilis (Mart.) Ducke (aus dem Mauésgebiet)[1].

In Brasilien, Venezuela und Paraguay wird seit längerem ein landwirtschaftlich kommerzieller Anbau betrieben. Zweimal jährlich können haselnussgroße Kapselfrüchte geerntet werden, aus denen dann das Guaraná (auch brasilianischer Kakao oder Guaranabrot genannt) hergestellt wird[1].

Guarana-Präparate werden traditionell durch Rösten, Zerquetschen oder Trocknen der Samen zubereitet, wenn es um die Heilwirkung geht. Dabei wird die entstehende Paste (Pata Guaraná) gewonnen und als Kuchen oder Paste als Tee aufgegossen und gegen Müdigkeit oder bei Durchfall getrunken. Der Tee dient auch als Kaffee-Ersatz und durch den industriellen Anbau wurde die Pflanze als regelrechter Koffein-Lieferant nutzbar[2].

Der kommerzielle Anbau der Guarana-Pflanze ist für brasilianische Kleinbauern im Amazonasbecken seit mindestens 20 Jahren eine zusätzliche Einkommensquelle geworden. Der schnell wachsende Strauch kann dabei problemlos in Manioc-Kulturen eingepflanzt werden[3]. Auf diese Weise ist sowohl ein Teil der Basisernährung durch Manioc als auch ein Zusatzeinkommen durch Guarana erzielbar.

Inhaltsstoffe

Guaranaprodukte enthalten sog. Methylxanthine, die den Blutdruck steigern können. Ein allgemein bekannter Vertreter dieser Substanzgruppe ist das Koffein. Guarana enthält allerdings einen Anteil von bis zu 7% Koffein, dazu noch Theobromin und Theophyllin, Gerbstoffe und Saponine[2].

Ob solche Konzentrationen aber wirklich immer erreicht werden, ist zweifelhaft. So zeigte eine Studie aus Brasilien, dass die absolute Menge pro Gramm Guaranapulver für Coffein 36,78 mg, für Theobromin 2,16 mg und für Theophyllin 1,10 mg betrug[4]. Damit lag der Anteil der Methylxanthine allerdings immer noch bei 4%. Der Methylxanthingehalt liegt über dem der Kaffeebohne (Coffein: 1-2%), jenem von Teeblättern (2-5%) oder jenem der afrikanischen Kolanuss (2%)[5]. Wie bei allen Naturprodukten, kann der Anteil der Wirkkomponenten erheblich schwanken.

Die US-Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) untersuchte 24 Guaranaprodukte, die auf dem US-Markt angeboten wurden. Der Methylxanthingehalt schwankte um den Faktor 100(!) zwischen 0,041-4,3 microgramm/ml (Theobromin und Coffein) und 0,041-4,1 microgramm/ml für Theophyllin. Bei fünf Produkten ergaben sich sogar Methylxanthinkonzentrationen bis zu 52,25 mg pro Gramm Rohware. Dies bedeutet, dass in den Produkten eine Methylxanthinkonzentration von 5% in der Regel nicht überschritten wird. Bemerkenswert war in der FDA-Untersuchung aber das Resultat, dass einige der untersuchten Guarana-Produkte offensichtlich kein Guarana enthielten und die Kunden somit betrogen worden waren[6].

Wirkungen

Die pharmakologische Wirkung der drei Methylxanthine ist unterschiedlich. Koffein wirkt stark ZNS- und skelettmuskelstimulierend, dafür eher schwach auf das Herz und die Gefäßmuskulatur der Bronchien und der Blutgefäße. Theophyllin hingegen stimuliert alle diese Systeme stark und erzeugt eine deutliche Diurese (Harnausscheidung). Theobromin wiederum wirkt überhaupt nicht auf das ZNS, wenig auf die Skelettmuskulatur und nur mäßig auf das Herz und die Gefäßmuskulatur der Bronchien und Gefäße. Auch die diuretische (harntreibende) Wirkung von Theobromin ist eher mäßiggradig. Koffein hat bereits in einer Menge von 0,15-0,2 g (das entspricht 1-2 Tassen Kaffee) die genannten Wirkungen. Theophyllin und Koffein führen erst in relativ hohen Dosen (5-10 g) aufgrund ihrer Wirkung auf das ZNS zu Übelkeit und Erbrechen[5].

Studienlage

In einer brasilianischen Studie (Grando et al. 1996) zeigte sich, dass sich durch den Konsum von Guarana-Soft-Drinks sowohl mikroskopisch, unter Betrachtung mit dem bloßen Auge, als auch unter Verwendung eines elektronenmikroskopischen Scanners Schäden am Zahnschmelz im Sinne einer beginnenden Karies nachweisen ließen[7].

Anbieterseitig wird den Guaranaprodukten zwar die Fähigkeit zur Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit beigelegt, dies konnte bei klinischen Prüfungen jedoch nicht nachgewiesen werden. In einer brasilianischen Studie des Department of Psychobiology in Sao Paulo wurde 45 älteren Freiwilligen im Doppelblindversuch über einen längeren Zeitraum entweder Placebo (n=15), Koffein (n=15) oder Guarana (n=15) gegeben. Es fanden sich keinerlei signifikante Veränderungen der kognitiven Leistungen[8].

Kriminologen und Rechtsmedizinern ist Guarana als Aufputschmittel bei Drogensüchtigen seit Jahren bekannt. Nach Schafer (1999) wird es in diesen Szenen als natürliches Stimulans oder als Drogenersatz verwendet[9]. Ursache für die Beliebtheit von Guarana könnte sein, dass in dem Produkt psychoaktive Substanzen enthalten sind. Zumindest in Guarana-Öl wurden solche Substanzen (Estragol und Anethol) nachgewiesen[10].

Nebenwirkungen

Die Autoren Donadio et al. (2000) über einzelne Patienten, die nach dem Konsum von Guarana den roten Myoglobin im Urin (Myoglobinurie) aufwiesen. [11].

Myoglobin ist ein roter, in der Muskulatur vorkommender Farbstoff, der Sauerstoff bindet und der Sauerstoffversorgung des Muskels dient. Normalerweise ist Myoglobin im Urin nicht nachzuweisen. Es kommt aber dort hin, wenn Muskelzellen zerstört werden und zerfallen, da Myoglobin nicht an Proteine im Blut gebunden und aufgrund seiner niedrigen molekularen Größe schnell über die Nieren ausgeschieden wird. Eine Myoglobinurie weist auf eine Beschädigung von Muskelzellen im Organismus hin - z.B. bei Herzinfarkt.

Eine direkte Giftigkeit von Guaranaprodukten ist bisher nicht mit ausreichender Sicherheit bewiesen worden. Entsprechende Zellkulturversuche von Santa Maria et al. (1998) zeigten zwar im Microtox-Test eine negative Beeinflussung von Zellen ab Konzentrationen von 40 mg/ml, aber im Tierversuch konnte selbst bei hohen oral verabreichten Dosen (bis 2 g pro Kilogramm Körpergewicht) von Guarana keine signifikante Beeinflussung toxikologischer Parameter ermittelt werden[12]. Es fanden sich keinerlei histologische Gewebeveränderungen in Herz, Lunge, Magen, Darm, Leber, Pankreas, Niere, Blase oder Milz der untersuchten Tiere[13].

Guarana und Ephedrin

In den letzten Jahren werden vor allem auf dem US-Markt immer häufiger Mischungen aus Ma Huang (bekannt als "Mormonentee") und Guarana angeboten. Dabei stellt Ephedrakraut einen ausgesprochenen Risikofaktor dar, da es herzwirksame Alkaloide in einem Anteil bis zu 3,3% enthalten kann. Diese Alkaloide wirken analog dem Adrenalin stark kreislaufbeschleunigend und blutdrucksteigernd. In den USA werden Ephedraprodukte als Schlankmacher verkauft. Es wurden bereits Dutzende von Todesfällen beschrieben, die direkt auf den Konsum von Ephedrakraut-haltigen Produkten zurückzuführen sind, ohne dass die Verstorbenen den Konsum übertrieben hätten.[14]

In einem Tierversuch an 47 Hunden im Jahr 2001 wurde ein pflanzliches Kombinationsprodukt aus Ma Huang und Guarana getestet. 80% der Tiere entwickelten innerhalb von acht Stunden klinische Zeichen einer Vergiftung (Hyperaktivität, Tremor, Krämpfe, Verhaltensauffälligkeiten). 17% der Tiere starben. Die applizierte Dosis pro Kilogramm Körpergewicht betrug dabei zwischen 4,4-296,2 mg/kg (Guarana) bzw. 1,3-88,9 mg/kg (Ephedra)[15].

Dass diese Kombination auch beim Menschen schwere Nebenwirkungen haben kann, zeigte ein im Jahr 2001 publizierter französischer Bericht, in welchem ein Patient nach Konsum eines solchen Kombinationsproduktes einen Schlaganfall erlitt.[16]

Ephedra-Guarana-Produkte können in recht kurzer Zeit zu einer Gewichtsreduktion führen. Dies demonstriert die Studie von Boozer et al.[17], in der ein solches pflanzliches Produkt in einer Tagesdosis von 72 mg Ephedrin und 240 mg Koffein über acht Wochen im randomisierten Doppelblindversuch an 67 Übergewichtigen getestet wurde. Von den ursprünglich 32 Placebo- und 35 Verum-behandelten Personen schlossen jeweils 24 die Studie ab. Trotzdem ließ sich eindeutig feststellen, dass die Übergewichtigen unter Verum mit 4,0 +/- 3,4 kg signifikant (p=0,006) mehr Gewicht verloren hatten als die Placebotherapierten (0,8 +/- 2,4 kg). Allerdings traten dabei auch deutliche Nebenwirkungen auf, die häufiger unter der Gabe des Ephedra-Guarana-Produktes zu verzeichnen waren. Die Versuchspersonen klagten über Mundtrockenheit, Schläfrigkeit und Kopfschmerzen. Aufgrund medikamentenbedingter Nebenwirkungen hatten 8 der 19 die Studie vorzeitig verlassenden Patienten die Einnahme des Präparates abgebrochen. In der Placebogruppe hingegen hatte keiner der Patienten wegen medikationsbedingter Nebenwirkungen die Studie vorzeitig verlassen.

Gesamtbewertung

Guaranaprodukte scheinen aufgrund der Tatsache, dass ihr Methylxanthingehalt in etwa jenem von Kaffee oder Tee entspricht, als Nahrungsmittel völlig legal in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt zu werden. Problematisch an diesen Produkten ist der sehr stark schwankende Gehalt an Methylxanthinen, im Einzelfall sogar das völlige Fehlen der Substanz. Eine gesundheitliche Gefährdung durch reine Guaranaprodukte erscheint bei normalem Verzehrsverhalten allerdings eher unwahrscheinlich zu sein. Das Gefährdungspotential dürfte hier in etwa in der Höhe von Kaffee liegen, der - in hohen Mengen genossen - auch zu Herzbeschwerden führt und dem in hohen Dosen tumorstimulierende Wirkung von Mundhöhlen- und Magenkarzinomen nachgesagt wird. Gefährlich wird es, wenn solche Mittel zu hoch dosiert eingenommen werden. Vor allem Personen mit Herzkreislaufkrankheiten oder Stoffwechselproblemen (z.B. Diabetes mellitus) könnten in ernste Schwierigkeiten geraten. Auch Jugendliche können betroffen sein, denn sie reagieren empfindlicher als Erwachsene auf hohe Koffein- oder Ephedradosen.

Lebensgefährlich kann es werden, wenn Kombinationsprodukte aus zwei kreislaufsteigernden (blutdrucksteigernde und herzbelastende) Phytopharmaka eingenommen werden, um z.B. schnell das Gewicht zu reduzieren. Hier ist der Effekt ein rein diuretischer. Man steigert den Blutdruck, scheidet überproportional viel Wasser aus (weil Ephedrine und Methylxanthine harntreibend wirken) und verliert mehr Wasser als Fett. Der Verkauf von Ephedra und die Einnahme in therapeutischer Dosierung(!) hat allein in den USA mehr als 60 Personen das Leben gekostet - und den Strukturvertrieben (MLM-Marketing-Firmen) mehr als 2 Milliarden Dollar Einnahmen gebracht.

Guaranaprodukten dürfen in Deutschland lediglich als Lebensmittel vermarktet werden. Gesundheitsbezogene Aussagen sind nicht gestattet.

Weblinks

Quellennachweise

  1. 1,0 1,1 Ehmann N: Guaraná, nur ein Coffeinersatz. Pharmazeutische Zeitung, 1997
  2. 2,0 2,1 Chevallier A: Die BLV-Enzyklopädie der Heilpflanzen. BLV Verlagsgesellschaft, München, S.243, 1998
  3. Henman AR: Guarana (Paullinia cupana var. sorbilis): ecological and social perspectives on an economic plant of the central Amazon basin. J Ethnopharmacol, 6, 311-338, 1982
  4. Salvadori MC, Rieser EM, Ribeiro Neto LM, Nascimento ES: Determination of xanthines by high-performance liquid chromatography and thin-layer chromatography in horse urine after ingestion of Guarana powder. Analyst, 119, 2701-2703, 1994
  5. 5,0 5,1 Forth W, Henschler D, Rummel W: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie. BI Wissenschaftsverlag, Mannheim, 5. Aufl., 257-260, 1987
  6. Carlson M, Thompson RD: Liquid chromatographic determination of methylxanthines and catechins in herbal preparations containing guarana. J AOAC Int, 81, 691-701, 1998
  7. Grando LJ, Tames DR, Cardoso AC, Gabilan NH: In vitro study of enamel erosion caused by soft drinks and lemon juice in deciduous teeth analysed by stereomicroscopy and scanning electron microscopy. Caries Res, 30, 373-378, 1996
  8. Galduroz JC, Carlini EA: The effects of long-term administration of guarana on the cognition of normal, elderly volunteers. Rev Paul Med, 114, 1073-1078, 1996
  9. Schafer AT: Microscopic examination of Guarana powder--Paullinia cupana Kunth. Arch Kriminol, 204, 23-27, 1999
  10. Benoni H, Dallakian P, Taraz K: Studies on the essential oil from guarana. Z Lebensm Unters Forsch, 203, 95-98, 1996
  11. Donadio V, Bonsi P, Zele I, Monari L, Liguori R, Vetrugno R, Albani F, Montagna P: Myoglobinuria after ingestion of extracts of guarana, Ginkgo biloba and kava. Neurol Sci, 21, 124, 2000
  12. Santa Maria A, Lopez A, Diaz MM, Munoz-Mingarro D, Pozuelo JM: Evaluation of the toxicity of guarana with in vitro bioassays. Ecotoxicol Environ Saf, 39, 164-167, 1998
  13. Mattei R, Dias RF, Espinola EB, Carlini EA, Barros SB: Guarana (Paullinia cupana): toxic behavioral effects in laboratory animals and antioxidants activity in vitro. J Ethnopharmacol, 60, 111-116, 1998
  14. Haller CA, Benowitz NL: Adverse cardiovascular and central nervous sytem events associated with dietary supplements containing ephedra alkaloids. http://www.nejm.com/content/haller/1.asp 6.12.2000
  15. Ooms TG, Khan SA, Means C: Suspected caffeine and ephedrine toxicosis resulting from ingestion of an herbal supplement containing guarana and ma huang in dogs: 47 cases (1997-1999). J Am Vet Med Assoc, 218, 225-229, 2001
  16. Du Boisgueheneuc F, Lannuzel A, Caparros-Lefebvre D, De Broucker T: Cerebral infarction in a patient consuming MaHuang extract and guarana. Presse Med, 30, 166-167, 2001
  17. Boozer CN, Nasser JA, Heymsfield SB, Wang V, Chen G, Solomon JL: An herbal supplement containing Ma Huang-Guarana for weight loss: a randomized, double-blind trial. Int J Obes Relat Metab Disord, 25, 316-324, 2001